Geschichte
Ursprung
Der Ursprung der Baptisten liegt im englischen Puritanismus. Diese Bewegung orientierte sich an den theologischen Elementen der festländischen Reformation und war bestrebt, sowohl das Leben der einzelnen Gläubigen als auch das der Kirche streng und ausschließlich an den biblischen Grundsätzen auszurichten und wünschte sich folglich eine Reform der Kirche von England. Aufgrund der Ablehnung einiger Elemente der anglikanischen Kirche (z.B. ihre hierarchisch-bischöfliche Struktur) begannen jedoch einige Puritaner Ende des 16. Jahrhunderts, neue, von Staat und Staatskirche unabhängige Gemeinden zu gründen, was heute mit dem Begriff Kongregationalismus bezeichnet wird. Doch einige dieser Separatisten wurden in England verfolgt und mussten aus dem Land fliehen. Einer unter ihnen war der ehemalige anglikanische Geistliche John Smyth (1554-1612), der zusammen mit anderen Glaubensflüchtlingen 1609 in Amsterdam die erste Baptistengemeinde gründete. Diese Gemeinde kam auch zu der Erkenntnis, dass nur Gläubige getauft werden dürften, was wahrscheinlich durch die holländischen Mennoniten (1) verstärkt wurde; deshalb taufte Smyth sich selbst und dann seine Gefährten durch Übergießen von Wasser. Wegen der Übereinstimmung in der Taufpraxis schlossen sie sich bald darauf den Mennoniten an. Thomas Helwys (~1550-1616) und einige Gefährten fühlten sich jedoch mit den Mennoniten nicht wirklich verbunden, kehrten deshalb 1611/12 nach England zurück und gründeten dort eine Täufergemeinde. Die daraus entstandenen Gemeinden wurden General Baptists genannt, da sie "die allgemeine Versöhnung aller Menschen durch Christus, die dem Glaubenden zugerechnet wird" (2) lehrten. 1638 (3) wurde eine zweite Glaubensgemeinschaft von Rückkehrern aus Amsterdam gegründet, die glaubten, dass "die Versöhnung nur einzelnen, von Gott vorherbestimmten Menschen gelte" (4). Aufgrund dieses Unterschiedes in der Prädestinationslehre (Lehre über die göttliche Vorherbestimmung) wurden diese entsprechend als Particular Baptists bezeichnet. Diese dogmatische Differenz fand erst im 19. Jahrhundert ein Ende. Beide Baptistengruppen gingen kurz nach ihrer Gründung zu der neutestamentlichen Taufpraxis des Untertauchens über, die bis heute bei den Baptisten gebräuchlich ist.
Baptismus in Deutschland
Begründer des deutschen Baptismus ist Johann Gerhard Oncken (1800-1884), der entscheidende Impulse aus Schottland und England mitbrachte, wo er sich 1820 bekehrte. 1823 trat Oncken einer Gesellschaft bei, "die es als ihre besondere Aufgabe ansah, im Geist der englischen Erweckungsbewegung durch missionarische Aktivitäten dem auf dem Kontinent vorherrschenden Rationalismus das Feld streitig zu machen" (5). So ging er nach Hamburg und begann, trotz vieler Hindernisse, mit großem missionarischem Eifer Erweckungsversammlungen zu halten. 1825 gründete er bei Hamburg die erste deutsche Sonntagsschule. Als es dann zum Zusammenschluss von Gläubigen zu einer Ortsgemeinde kam, äußerten sich bei Oncken wieder die schon früher aufgetretenen Zweifel an der Säuglingstaufe. So reifte in der Gemeinde die Erkenntnis, dass nur bekehrte Menschen zur Gemeinde Christi gehören sollten, an denen die Glaubenstaufe vollzogen worden war, was bis heute ein wichtiges Prinzip der Baptistengemeinden ist.
Oncken begann, viel zu reisen, womit er nicht nur den deutschen, sondern den gesamten kontinental-europäischen Baptismus begründete. Zu seinen Mitarbeitern gehörte der aus der Herrnhuter Brüdergemeine stammende Berliner Gottfried Wilhelm Lehmann (1799-1882), der sich von Oncken unterschied in der Befürwortung des offenen Abendmahls (Teilnahme auch für ungetaufte Gläubige, was sich erst in den 1960er Jahren zunehmend durchsetzte) und in der warmherzigen Frömmigkeit (im Gegensatz zu Onckens strengem Calvinismus); gemeinsam war ihnen vor allem das starke missionarische Anliegen nach dem Motto "Kirche ist Mission"(7), womit jeder Baptist ein Missionar ist. Ein weiterer Mitarbeiter war Julius Köbner (1806-1884), dem die neue Gemeindebewegung ihr Liederbuch Glaubensstimme verdankte.
Im Jahr 1849 wurde in Hamburg der Bund der vereinigten Gemeinden getaufter Christen gegründet, zu dem Gemeinden des gesamten europäischen Festlandes gehörten. 1888, nun als Bund der Baptistengemeinden in Deutschland auf deutsche Gemeinden beschränkt, wurde er rechtlich anerkannt und erhielt 1930 den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts.
Trotz Uneinigkeit zwischen Oncken und seinen Mitarbeitern hinsichtlich des Verhältnisses von Bund und Ortsgemeinden, wurde letzteren 1876 volle Autonomie zuerkannt. Dadurch wurde der Bund jedoch nicht überflüssig; seine Aufgaben betrafen die Einrichtung eines theologischen Seminars in Hamburg, außerdem die Übernahme des Oncken-Verlags, der vor allem Werke des englischen Predigers Charles Haddon Spurgeon (1834-1892) verbreitete, sowie die Gründung einiger sozialer und missionarischer Werke. Die Betonung der Evangelisation führte zu dem neuen Weg der Zeltmission. Außer den Evangelisationswochen trugen auch die zahlreich eingerichteten Sonntagsschulen für Kinder zur Ausbreitung der Baptistengemeinden bei.
In der Zeit des Nationalsozialismus trat eine starke Veränderung des Erscheinungsbild des deutschen Baptismus ein, indem er einige "fragwürdige Kompromisse"(7) einging. Jahrzehnte danach (1984) äußerte der Bund sein Bedauern, "sich nicht öffentlich mit dem Kampf und Leiden der Bekennenden Kirche verbunden"(7) zu haben, außerdem über das Versäumnis, "eindeutig den Verletzungen göttlicher Ordnungen und Gebote zu widerstehen"(6).
1938 nahm der Bund die bedrängten pfingstlichen Elim-Gemeinden auf, die eher in der ehemaligen DDR verbreitet sind. Die wenigen westlichen Gemeinden haben 1954 den Bund wieder verlassen und sich einer pfingstlichen Organisation angeschlossen.
Entscheidender war jedoch 1941 der Zusammenschluss des Baptistenbundes mit dem Bund freikirchlicher Christen, der 1937 gegründet worden war, um das staatliche Verbot der Brüdergemeinden zu umgehen. Er bestand aus den beiden Richtungen der Brüderbewegung Christliche Versammlung und Offene Brüder, die auf Carl Brockhaus (1822-1899) und John Nelson Darby (1800-1882) zurückgingen. Der neue Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden (BEFG) erforderte von beiden Gemeinderichtungen nicht nur die Aufgabe des ursprünglichen Namens, sondern von den "Brüdern" auch mehr Organisation und Öffentlichkeit als bisher. Es wurde auch an einen Zusammenschluss mit weiteren taufgesinnten Gemeinden gedacht, der allerdings nicht zustande kam. Nach dem Krieg verließen einige ursprüngliche Brüdergemeinden wieder den Bund und schlossen sich im Freien Brüderkreis zusammen. Die verbliebenen Brüdergemeinden haben eine eigene Arbeitsgemeinschaft innerhalb des Bundes. Wegen der gegensätzlichen Überzeugungen hinsichtlich Organisation, Pastoren und Ökumene verläuft die Zusammenarbeit beider Richtungen im Bund bis heute nicht ohne Spannungen. Einen neueren Streitpunkt stellt z.B. die Frage zum Dienst der Frauen in der Gemeinde dar. Allgemein kann festgehalten werden, dass "die Brüdergemeinden sehr viel stärker biblizistisch, um nicht zu sagen: fundamentalistisch ausgerichtet sind als die Baptistengemeinden"(8).
Während der Zeit des Kalten Krieges gab es im geteilten Deutschland zwei selbständige Bünde, die sich 1991 wieder vereinigten.
Die einzelnen Baptistenbünde wiederum sind in mehreren internationalen Bünden organisiert. Dazu gehören die Europäische Baptistische Föderation mit mehr als 800.000 Mitgliedern in 51 Bünden(9) und der 1905 gegründete Baptistische Weltbund (Baptist World Alliance), der mehr als 200 Baptistenbünde und damit mehr als 36 Millionen baptistische Gläubige umfasst.(10)
(1) | Mennoniten entstanden aus derjenigen Reformationsbewegung, die sich v.a. gegen die Säuglingstaufe wandte, und setzten deswegen 1525 im Umkreis Zwinglis in Zürich die Glaubenstaufe ein, weshalb sie von ihren Gegnern als „Wiedertäufer“ bezichtigt wurden. Harte Verfolgung durch die Obrigkeit hinderte sie am Aufbau einer täuferischen Volkskirche. Die mennonitische Lehre beinhaltete außerdem Gemeindezucht, Abendmahl nur für Gläubige, Absonderung von der Welt etc. (vgl. Geldbach: Freikirchen, S. 174f) |
(2) | Geldbach, Erich: Freikirchen. Erbe, Gestalt und Wirkung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. 1989, S. 183 |
(3) | vgl. Hughey, John David & Thaut, Rudolf: Baptisten. In: Krause, G. & Müller, G. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5. Berlin/New York: Walter de Gruyter. 1980., S. 191 |
(4) | Geldbach, Erich: Freikirchen. Erbe, Gestalt und Wirkung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. 1989, S. 183 |
(5) | Reller, Horst (Hg.): Handbuch Religiöse Gemeinschaften. Gütersloh: Verlagshaus Gerd Mohn. 2. Aufl. 1979, S. 28 |
(6) | Ein Überblick des Kirchengeschichtlers Günter Balders |
(7) | Reller, Horst (Hg.): Handbuch Religiöse Gemeinschaften. Gütersloh: Verlagshaus Gerd Mohn. 2. Aufl. 1979, S. 30 |
(8) | Geldbach, Erich: Freikirchen. Erbe, Gestalt und Wirkung. Göttingen: Vandenhoeck und Ruprecht. 1989, S. 186 |
(9) | vgl. www.ebf.org (Europäische Baptistische Föderation) |
(10) | vgl. www.bwanet.org (Baptistischer Weltbund) |
(11) | Hughey, John David & Thaut, Rudolf: Baptisten. In: Krause, G. & Müller, G. (Hg.): Theologische Realenzyklopädie, Bd. 5. Berlin/New York: Walter de Gruyter. 1980., S. 192 |
(12) | vgl. Reller, Horst (Hg.): Handbuch Religiöse Gemeinschaften. Gütersloh: Verlagshaus Gerd Mohn. 2. Aufl. 1979, S. 29f |
Diese Seite ist ein Auszug aus der Zulassungsarbeit von Maureen Kowalski im Fach Evangelische Theologie, Erziehungswissenschaftliche Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, Sommersemester 2004